Attestfälschung: Wenn Ärzte zu Handlangern des Betrugs werden
Krankschreibung verpflichtet zu sorgfältiger Untersuchung
Wer sich krank fühlt, geht mit der Hoffnung in die Sprechstunde, schnell wieder gesund zu werden. Nicht selten nutzen Ärzte aber mehr Phantasie als Fachwissen beim Erstellen der Diagnose – und dokumentieren Krankheiten, wo eigentlich keine sind. Damit verschaffen sie gesunden Patienten auch ungerechtfertigte Krankschreibungen. „Das geht nicht nur massiv zu Lasten der Betriebe und Kollegen, sondern auch der Solidargemeinschaft der Versicherten“, weiß Marcus Lentz, Geschäftsführer der Detektei Lentz GmbH & Co. KG. Obwohl sich Mediziner und Simulanten damit strafbar machen: Selbst die Krankenkassen beklagen inzwischen öffentlich die ausufernde Praxis der Diagnosemanipulation.
Vielen Erwerbstätigen ist die halbherzige Prüfung ihrer Symptome beim Arzt sogar ganz recht: Wer auf einen Kurzurlaub auf Krankenschein spekuliert, findet immer einen Mediziner, dieses Spiel gerne mitspielt. „So kann es sogar vorkommen, dass Ärzte ungültige Gesundheitszeugnisse ausstellen, um sich damit einen finanziellen Vorteil zu verschaffen“, bedauert der Chefermittler der Detektei Lentz, der es im Bereich Lohnfortzahlungsbetrug alljährlich mit steigenden Fallzahlen zu tun hat.
Doc Holiday vor Gericht
Es gibt zwei Kriterien, die eine so genannte Attestfälschung (§278 Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse, bzw. §279 Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse) definieren, weiß Marcus Lentz: „Wenn das Gesundheitszeugnis erstens offensichtliche Falschdarstellungen aufweist oder es zweitens ausgestellt wurde, ohne dass der Arzt seinen Patienten vorher untersucht hat“. Denn es gehört selbstverständlich zu den Aufgaben eines Mediziners, sich zuerst ein eigenes, fachgerechtes Bild von den Leiden seines Patienten zu machen und erst dann aufgrund einer fundierten Diagnose zu urteilen. Geschieht das nicht, verstößt er nicht nur gegen ärztliche Ethik und Standards, sondern auch gegen geltendes Recht. Ein besonders krasser Fall wurde im vergangenen Jahr in Berlin öffentlich: Ein als „Doc Holiday“ stadtbekannter Arzt stellte demnach im Minutentakt Wunsch-Atteste für Schüler und Azubis aus. „Tatsächlich ist eine derartige Zeugnisinflation ein blühendes Geschäft: Je mehr Rechnungen ein Arzt an die Krankenkassen weitergibt, desto mehr Geld verdient er“, erläutert Marcus Lentz. Für seine Fließbandarbeit kassierte der Berliner „Arzt“ rund 40 Euro pro Patient.
Bis zu zwei Jahren Haft
Strafbar wird diese Praxis zwar erst, wenn das Attest bei einer Behörde wie Schulen oder Krankenversicherungen vorgelegt bzw. genutzt wird. „Dann aber droht auch dem Mediziner eine Anklage wegen Betruges und Urkundenfälschung“, weiß Marcus Lentz. Die Paragraphen 278 und 279 des Strafgesetzbuchs sehen sogar Freiheitsstrafen von einem bis zwei Jahren vor, wenn ein ungültiges Gesundheitszeugnis herausgegeben und zur Täuschung verwendet wird. Eine harte Strafe, der aber auch ein entsprechend hoher Schaden gegenüber steht, den sowohl Arbeitgeber als auch Krankenkassen durch den Betrug mit unrichtigen Gesundheitszeugnissen erleiden: Die Kosten, die der deutschen Wirtschaft durch „Urlaub auf Krankenschein“ entstehen, entsprechen mittlerweile einer Summe von rund 225 Milliarden Euro pro Jahr. „Kommen die unseriösen Methoden des Arztes ans Licht, schaden sie ihm allerdings nicht nur in strafrechtlicher Hinsicht“, erklärt der Chefermittler der TÜV-zertifizierten Frankfurter Detektei. „Sie stellen auch seine fachliche Reputation infrage: Patienten, die zum Arzt ihres Vertrauens gehen wollen, können sich hier nicht mehr ernst genommen fühlen.“
Beweislage schwierig
Diesem Betrug entgegenzuwirken gestaltet sich allerdings schwierig: Der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin zufolge muss erst ein begründeter Verdacht auf wiederholtes Fehlverhalten gegeben sein, um Einsicht in die Akten von Patienten zu erhalten. Ist die Beweislage nicht eindeutig, kann der Arzt zudem darauf plädieren, ohne Vorsatz gehandelt zu haben. Laut §16 des StBG liegt lediglich ein „Tatbestandsirrtum“ vor, wenn der Mediziner angibt, von der Richtigkeit eines objektiv falschen Gesundheitszeugnisses ausgegangen zu sein. Es müssen also klare Beweise vorliegen, um einem fehlgeleiteten „Halbgott in Weiß“ ein absichtliches Handeln nachzuweisen.
Professionelle Unterstützung gefragt
Nachforschungen auf eigene Faust sind daher keinesfalls geeignet, einem „Doc Holiday“ das Handwerk zu legen, betont Marcus Lentz aus über 20 Jahren Ermittlungserfahrung: „Wer einem „Attest-Arzt“ im Alleingang seine Verfehlungen nachweisen will, läuft ein großes Risiko, sich dabei selbst strafbar zu machen.“ Im konkreten Verdachtsfall sollten unbedingt erfahrene Profis hinzugezogen werden, die bei den Ermittlungen unterstützen. „Wer bei der Auswahl auf ein festangestelltes Team aus mehrjährig ausgebildeten, ZAD-zertifizierten Detektiven und Gütesiegel, wie etwa vom TÜV, achtet, kann sicher sein, eine seriöse Detektei zu beschäftigen“, rät Marcus Lentz. Deren fallerprobte Methoden und Rechtswissen können dazu beitragen, die betrügerischen Machenschaften in der Praxis gerichtsfest nachzuweisen. Sensibles Vorgehen und Diskretion werden bei solchen Ermittlungen zudem großgeschrieben, die Ermittler wissen genau in welchen rechtlichen Räumen sie sich bewegen dürfen. „Hier liegt oft das Problem bei Laienermittlungen – durch rechtliche Überschreitungen während der Untersuchungen können die Beweise vor Gericht nichtig sein oder der Arzt selbst Anklage erheben.“
Über den Autor: Marcus R. Lentz
Marcus R. Lentz, Jahrgang 1968, ist ZAD geprüfter Privatermittler (IHK), Mediator (Univ.) und sachverständiger Fachgutachter für das Detektei- und Bewachungsgewerbe und in dieser Funktion für zahlreiche Gerichte und Anwaltschaften als Fachgutachter tätig, seit 1987 als Privatdetektiv tätig; seit 1995 als selbständiger Detektiv und geschäftsführender Gesellschafter tätig und spezialisiert auf Ermittlungen und Internetrecherchen.
In seiner Freizeit ist der zweifache Vater viel und gern mit dem Motorrad unterwegs und Inhaber einer PPL(A)-Privatpilotenlizenz.
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